Ernst Kott erstellte die einzig bisher bekannte Baustellenbeschreibung vermutlich für die Sowjetische Militäradministration im Herbst 1945. Er hatte dazu die vorhandenen Stollen im Jonastal als Ist-Beschreibung ausführlich vermessen, kartographiert und beschrieben. Das folgende „G u t a c h t e n über das bei den Stollen im Jonastal anstehende Gestein“ gehört zur so genannten Kott-Mappe im Buchenwald-Archiv.
G u t a c h t e n über das bei den Stollen im Jonastal anstehende Gestein
Im Jonastal, dem Tal der Wilden Weisse, sind oberhalb des Kilometersteines 6,5 25 Stollen an der steil nach Süden abfallenden Felswand angelegt worden. Das Gestein der Talwände gehört dem
Muschelkalk, und zwar dem Unteren Muschelkalk, an. Der Muschelkalk bildet einen Zeitabschnitt des Mittelalters der Erde. Er wird in Unteren, Mittleren und Oberen Muschelkalk gegliedert. Durch die
Beschaffenheit des Gesteins und den Gehalt an Versteinerungen sind die 3 Abteilungen leicht zu unterscheiden. Der Untere Muschelkalk tritt vorzugsweise an den Talwänden zutage, währen der
Mittlere und Obere Muschelkalk die Hochflächen bilden. Die Stollen liegen im Unteren Muschelkalk.
Das Hauptgestein des Unteren Muschelkalks ist der Wellenkalk. Betrachten wir das Gestein an der Felswand oder das durch die Stollen freigelegt worden ist, so erkennen wir deutlich wellige Schichtflächen. Das Gestein ist meistens dünnbankig und von kalkiger Beschaffenheit. Trotzdem das Gestein den Namen Muschelkalk führt, ist dieser Wellenkalk äußerst arm an Versteinerungen. Über dem Wellenkalk liegen jedoch 2 dickbankige Schichten, die Terebratulabänke, die reich an Versteinerungen sind. Sie treten im Jonastal an der oberen Bergkante zutage. Zwischen dem Wellenkalk sind auch einzelne härtere, nicht wellige Bänke eingelagert. Das Gestein sieht frisch blaugrau aus. Die der Verwitterung ausgesetzte Seite erhält allmählich eine gelbe Farbe. Sie ist nachträglich dadurch entstanden, dass vom Wasser geringe Mengen von Eisenverbindungen, die im Gestein enthalten sind, gelöst und als Rost (Eisenhydroxyd) ausgeschieden worden sind.
Am Eingang zu den Stollen ist zu beobachten, wie der Muschelkalk von Klüften durchsetzt wird. Durch diese Klüfte sickert das Regenwasser. Daher findet man auch im Inneren der Stollen nasse Stellen. Ausserdem wird die Widerstandsfähigkeit des Gesteins herabgesetzt. Es neigt zu Abbröckelungen und daher in Höhlen zur Einsturzgefahr. Nicht nur das Regenwasser, sondern auch das Flusswasser versickert durch die Spalten und bahnt sich unterirdisch einen neuen Weg. So kommt es, dass das Tal der Wilden Weisse zu einem grossen Teil des Jahres trocken liegt. Bei der Schneeschmelze und bei starkem Gewitterregen führt es jedoch Wasser. Da das Gestein infolge seiner welligen und manchmal auch knotigen Struktur leicht den Verwitterungskräften ausgesetzt ist, ist seine Verwertbarkeit nicht bedeutend. Beim Straßenbau kann es als Unterlage benutzt werden. Als Schotter für die Eisenbahnanlagen ist es zu weich.
Das in den Stollen ausgebrochene Gestein ist als Schotter zu dem Beton der Stollenwände und Decken verarbeitet worden. Da diese Bauteile keinem grossen Druck ausgesetzt sind, dürfte das Gestein seinen Anforderungen genügen. Falls die Druckfestigkeit des Gesteins gewünscht wird, müssten Steinproben zur Untersuchung an das Geologische Institut der Universität Jena geschickt werden.
gez. Franke, Arnstadt, den 7.11.1945 [1]
[1] Archiv der Gedenkstätte Buchenwald, Bestand 62-79-13